Sonntag, 28. April 2013

Veränderungen und Verbesserungen in meinem Hauptprojekt- eine Bilanz nach 10 Monaten



10 Monate sind vorbei. Ich habe bestimmt nicht die Welt gerettet, aber einige Dinge haben sich durch meinen Aufenthalt in Nicaragua in meinem Projekt verändert. 
Die möchte ich euch kurz auflisten:

Anschaffungen und Veränderungen, teils dank Spendengeldern
Kuschelecke
Erste-Hilfe Koffer
wöchentlicher Obsttag
Belohnungssystem für Hausaufgaben
Rucksäcke geordnet aufs Regal, insgesamt ein geordneterer Zeitablauf
Tafeln(Whiteboards) für jedes Nivel

Preescolar
Am fleißigen Bekleben der Nummer 1.


Die letzen 2 Monate war ich im 2. Nivel tätig, um in alle Klassenstufen einmal herein zu schnuppern. Dort unterstützte ich die Lehrerin Lucia mit ihren 50 Schülern. Mit vielen Erneuerungen starteten wir in das Schuljahr und brachten so mehr Ordnung in den Tagesablauf.

1. Die Kinder kommen nun in den Klassenraum und legen ihre Rucksäcke in einem Regel ab, händigen ihre Schulhefte an die Lehrerin aus und setzen sich hin. Das garantiert erstmals, dass wir alle Schulhefte bekommen und jedem seine Hausaufgaben rein zeichnen können. Außerdem besteht so nicht die Möglichkeit, dass sie sich mit den Rucksäcken gegenseitig schlagen, was leider häufig vorkam.

2.Dann dürfen sie etwas spielen, bis der Unterricht beginnt. Dafür wird ein großer Stuhlkreis gebildet in dem Lieder gesungen werden, gebetet wird sowie das Tagesthema besprochen wird. Im Anschluss daran setzen die Kinder sich an ihre Tische und bearbeiten ein Arbeitsblatt zum jeweiligen Thema, meistens bedeutet dies etwas bunt anmalen. Man darf nicht vergessen, dass die Kleinen erst 4-5Jahre alt sind!
Pure Freude am Malen der Arbeitsblätter, Fernanda aus dem 3. Nivel


3. Anschließend wasche ich ihnen die Hände, bevor das Essen verteilt wird. 

4.Danach verteilen wir die Schulhefte mit der Hausaufgabe drin, die sie mit nach Hause nehmen. 
5.Schließlich ist noch mehr freie Zeit zum Spielen übrig, entweder auf dem Spielhof oder in dem Klassenraum, für Mitmach-Lieder oder Geschichten, für Märchenerzählungen oder oder oder. Und dann werden sie auch schon abgeholt, normalerweise um 11.30. Die ersten Eltern kommen meist schon um 10.45 und das letzte Kind wird selten vor 12 abgeholt. Diese lange Zeitspanne des Wartens ist unnötig und raubt viel Zeit, die man sinnvoll verwenden könnte. Leider ist es schwer, die Eltern in der Hinsicht „umzuerziehen“, und eine Besserung steht nicht in Aussicht.

Beim fleißigen Bekleben der  Nummer 1.



Ein Erlebnis, dass mich sehr schockiert hat, war die Herangehensweise der Lehrerin an die Unterrichtseinheit „Gefühlszustände“.
 Den Kindern wurde erklärt: „Wenn eure Mama euch ein Eis oder eine Wassermelone kauft, seid ihr glücklich.“ Anstatt zu sagen, dass man glücklich ist, wenn man umarmt wird, wenn einem gesagt wird, dass man geliebt wird oder ähnliches zwischenmenschliches. Laut ihrer Erklärung macht nur Essen froh. 
Weiterhin fragte sie: „ Wann seid ihr traurig?“, und das erste Kind antwortete spontan: „Wenn ich geschlagen werde“. Daraufhin hakte die Lehrerin nach: „Warum wirst du geschlagen?“ und der Schüler antwortet: „ Weil ich lästig bin, sagen meine Eltern.“
Dies ist immer genau die Begründung, die Eltern hier verwenden, um ihre Kinder zu schlagen. „Hoy te pego- Heute schlage ich dich“ ist ein häufig benutzter Wortlaut, wenn Eltern ihre Kinder von der Vorschule abholen und sehen, dass diese schmutzig sind oder sich schlecht benommen haben. Und die Begründung ist stets, weil er „necio“-lästig- ist. Doch diese tägliche Konfrontation mit häuslicher Gewalt und der Umgang mit den Kindern setzt mir stark zu und bis heute weiß ich nicht, wie ich bei den Eltern am besten darauf reagieren soll.

Einen Tag kam ein Ärzteteam in die Vorschule, die den Kindern Vitaminpräparate gaben, eine Polio-Impfung verpassten und eine Entparasitierungstablette mitgaben. Das war eine kostenlose Behandlung, die aus einer Nordamerikanischen Hilfsorganisation entstanden ist.
Schön den Mund auf! Die Vitamintropfen können bei all dem Gemüse und Obstmangel ja nur gut tun ;)

Der Lehrplan stuft Kinder in Nicaragua meiner Meinung nach nicht angemessen für ihr Alter ein und überfordert ihre Entwicklungsstufe. 
So ist eine Unterrichtseinheit für das 2. Nivel, 4-5 jährige Kinder, Kartensymbole zu lernen. Mittlerweile sollen sie wissen, was das Symbol für Flughafen, Fluss, Hauptstadt und Straße ist. In dem Alter bezweifele ich jedoch, dass sie sich eine Landkarte Nicaraguas ansehen werden. Eine weitere Unterrichtseinheit ist die der Verkehrsschilder, unter anderem „Stopp“ sowie „Einbahnstraße“. Diese Einheit mag sinnvoll sein, wenn sie aktive Verkehrsteilnehmer auf Fahrrädern werden und den Sinn einer Einbahnstraße befolgen können. Auch in Deutschland erfolgen diese Unterrichtseinheiten recht früh, bereits im Grundschulalter. Aber zur selben Zeit absolvieren die deutschen Grundschulkinder ihre Fahrradprüfung und benötigen all diese Verkehrszeichen, es hat einfach einen direkten Bezug zum Leben.

Der Curriculum schreibt so manches Mal Lehrplaninhalte vor, die mich ganz schön frustriert haben, da jede Unterrichtseinheit nur einen Tag lang behandelt wird und die Kinder die Schule verlassen, und nichts gelernt zu haben scheinen. Mir scheint es wäre wesentlich wichtiger, ein Thema auf aufeinanderfolgenden Tagen zu bearbeiten und den Kindern gemessen an ihrer Entwicklung Inhalte zu vermitteln. Doch die Lehrerinnen meiner Vorschule möchten sich gerne genauestens an den Lehrplan halten.

Die kleinsten aus dem 1. Nivel mit der Lehrerin Leo im Stuhlkreis, sie sind zwischen 2-3 Jahren alt.

Besonders glücklich war ich, als wir einen Obsttag gestalteten, den ich schon lang plante. Jedes Kind aus dem 2. Nivel brachte eine andere Frucht mit und wir mischten einen großen Obstsalat draus, von dem alle 3 Klassenstufen essen konnten! Und entgegen all der Warnungen der Lehrerinnen, den Kindern würde kein Obst schmecken, waren alle begeistert! An diesem Tag durften außerdem keine  Süßigkeiten im gegenüberliegenden Venta gekauft oder konsumiert werden, wie sonst üblich. Auch die Tageseinheit des Unterrichts behandelte das Thema gesunde Ernährung. Ein gelungener Tag ohne Chips und fettiges Essen für die Kinder. 
Denn dies finde ich weiterhin schade, das tägliche warme Essen, dass die Vorschule verteilt, besteht immer nur aus Kohlenhydraten(Bohnen, Reis) und Fleisch, angemacht mit viel Fett und ohne Gemüsebeilage. 
Die Köchin Marisol beim frittieren von "Rosquillas", Teigröllchen aus geschrotetem Mais
Viel wichtiger wäre es, den Kindern viel Gemüse zuzubereiten, da sie ohnehin schon genügend Reis und Fleisch zuhause bekommen.
Diesen Obsttag, den wir seit dem wöchentlich durchführten, soll die Kinder sensibilisieren, mehr Obst und Gemüse zu essen, da dies in der Erziehung nicht vermittelt wird- weder im Elternhaus noch in dem Curriculum. Jedes Kind brachte also Früchte für den großen Obstsalat mit. Die Resonanz der Kinder und deren Eltern war durchweg positiv!

Außerdem führten wir ein Belohnungssystem für die Hausaufgaben ein, vor allem als Anreiz für die Kinder, diese täglich zu machen und sich Mühe dabei zu geben. Denn leider unterstützen viel zu wenige Eltern ihre Kinder bei ihrem Lernprozess, fragen nicht nach Hausaufgaben und erledigen diese nicht mit ihren Kindern. Also malen wir in jedes Schulheft mit erledigten Hausaufgaben ein glückliches, lächelndes Gesicht und in jedes ohne Hausaufgaben ein trauriges Smiley.

Beim Knete-Selbstgemacht-Versuch. Eine Mischung aus Mehl, Ei und Wasser- und natürlich Farbe! Eine schmutze und unglaublich lustige Angelegenheit, und den Kindern hats Freude bereitet.

Und die Finger danach sehen auch ansehlich aus! :)


In all den Monaten erfuhr ich auch in meinem Projekt eine so große Gastfreundschaft. Manchmal fragte ich die Erwachsenen nach bestimmten Lebensmitteln und ob sie wissen, wo ich diese kaufen kann (vergeblich suchten wir das Jahr über nach Spinat, denn auf dem Markt wird dieser einfach nicht verkauft und auch die Supermärkte führen diesen nicht in ihren Tiefkühlregalen). Oft wurde mir am nächsten Tag spontan diese Sache mitgebracht und die Schenker wollten nicht einmal Geld dafür. Es wird als selbstverständlich angesehen, sich gegenseitig zu helfen, und nicht jeder Cent wird penibel zurückverlangt, wie es oft in Deutschland geschieht. Bis heute erstaune ich jedes Mal erneut über diese Herzlichkeit!

Etwas Gruppenkuscheln darf auch nicht fehlen! :) Als Spielbaum mache ich mich übrigens super. Zum draufspringen, hochklettern, durch-die-Luft-wirbeln-lassen und so weiter.. ;)
Dankbar war ich hier für Spendengelder, die ich über den Verein für internationale Beziehungen erhielt, um eine Kuschelecke aufzubauen. Das bedeutet ich kaufte Matratzen, Decken, Kuscheltiere und Bilderbücher und schaffte einen Ruhepol in dem Klassenraum, in dem die Kinder unter gewissen Regeln (keine Schuhe, keine Süßigkeiten, keine Aggressivität oder Gewalt im Umgang miteinander und keine hohe Lautstärke) spielen dürfen, oder einer Märchenerzählung der Lehrerin lauschen können.

Die Kuschelecke mit Matrazen, Kuscheltieren, Büchern und dem großen Wandplakat


Und schon sind alle Kinder auf der Kuschelecke versammelt und geniessen die bequeme Matratze unter sich und die ruhige Atmosphäre zum Spielen und Lesen.


Die 4jährige Ashley beim faszinierten Lesen des Buches " der kleine Prinz"

Und das Wandbild nochmal in Groß. Es zeigt die Idealsituation, in der die Kinder in der Kuschelecke spielen sollen und wurde mit viel Liebe von mir an einem seeehr langen Wochenende erstellt!

Weiterhin schaffte ich von den Spendengeldern einen Erste-Hilfekoffer an, mit den wichtigsten Bestandteilen einer Wundbehandlung: Desinfektionsmittel, Pflaster und Verbandszeug. 
Denn viele der Kinder fallen in der Pause hin und verletzen sich, doch keiner wäscht die Wunde oder schützt sie vor Dreck, sodass sie sich leicht entzünden kann.

Schließlich wurde von den Geldern noch 2 Tafeln, genauer gesagt Whiteboards, angeschafft, für die 2 kleinsten Klassenstufen. Diese sollen zwar schon die Vokabeln und Zahlen erlernen, hatten bislang aber keine Tafel um dies mit der Lehrerin gemeinsam zu üben! Jetzt kann man den Klassenraum auch endlich als solchen bezeichnen, denn eine Klasse ohne Tafel ist nur halbwegs sinnvoll.

In Planung mit weiteren Spendengeldern stand außerdem ein neues Klettergerüst sowie die Reparatur der Rutsche, deren Leitersprossen leider gebrochen sind. Leider ist meine restliche Zeit in Nicaragua nicht mehr ausreichend, um diese Planungen in die Tat umzusetzen, aber nachdem es bereits finanziell und logistisch geplant ist, hoffe ich das mein Nachfolger Lennard mich dabei unterstützt, dass in seinem Freiwilligenjahr weiter- und auszuführen, mit den noch vorhandenen Spendengeldern.

So. Das war also die Bilanz der Veränderungen durch meinen Freiwilligendienst. Natürlich ist es am wichtigsten zu betonen, dass ich persönlich die meisten Fortschritte und Erfahrungen für mich gemacht habe und in meinen Projekten selbst nicht die Welt bewegen konnte. So ein Freiwilliges Soziales Jahr ist und bleibt hautpsächlich eine Bereicherung für einen Selbst, abgesehen von kleinen Veränderungen in den Projekten!

Bald könnt ihr auch meinen Abschlussbericht lesen, der meinen Freiwilligendienst noch einmal reflektiert und ein Fazit zieht zu den 10 Monaten in Nicaragua!

2 Kommentare:

  1. Du kannst auf deine geleisteten Arbeiten sehr stolz auf dich sein.
    Du hast zwar nicht die Welt verändert, aber einen kleinen prägnanten Teil dazu beigetragen.
    Mach' weiter so.
    Gruß
    -Bruce Wayne

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  2. Hallo,
    dein Blog ist Spitzenklasse, großes Kompliment. Ich bin Christina aus Essen und möchte in 1 Jahr nach dem Abi auch nach Mittelamerika.
    Hierzu eine Frage. Manche Freiwillige haben auf ihrer to-do-Lite den Punkt " Arztbesuche ". Welche Ärzte würdest du vor dem FSJ empfehlen aufzusuchen ? Alles Gute !
    Christina

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