Dienstag, 26. Februar 2013

El viaje con mis padres- Die Reise mit meinen Eltern




In kürzester Zeit ist man an der Atlantik- und Pazifikküste, im Norden in den Bergen, an Seen und Flüssen oder in der heißen Südregion! Nicaragua bietet einiges, auch abgesehen von Vulkanbesteigen oder Naturtouren. Hier viele zusammengewürfelte Impressionen von der Reise mit meinen Eltern, um noch einmal viele der Eindrücke zu visualisieren!

ein See vor einem Vulkan- Nicaragua pur!

Ein kleines Äffchen bei Granada, das haben wir mit Bananen gefüttert!

Tabakfabrik
7.000 Zigarren werden täglich in der Fabrik hergestellt. Die Produktion ist aufwendig: Die riesigen Tabakblätter werden bis zu einem Jahr gelagert, auf gleichmäßigen Temperaturen gehalten und schließlich getrocknet.
Die Tabakblätter bei der Auslese
 Dann nach Größe, Farbe und Zustand sortiert und den einzelnen Preisklassen zugeordnet. So entstehen Zigarren, deren Tabakblätter besonders stark und aromatisch sind, andere die in Rum eingelegt wurden oder zweifarbig gerollte, rote oder hellbraun/dunkelbraune.
Viele viele bunte Smaaaarties... äh Zigarren.
Und auch ich darf meine eigene drehen! Mit der Hilfe einer der Arbeiterinnen. Diese wollte mir übrigens direkt eine Festanstellung versprechen, da ich mich so außerodentlich gut anstellte! ;)
Fertig ist meine Zigarre! Ich freu mich wie ein kleines Kind..



Ein typisch Nicaraguanischer Krimschladen. Von Töpfen über Körben über Gitarren bis hin zu Lebensmitteln gibt es alles.
Ein "Haus" mitten auf einem Stück Erdland. Und rechts im Bild ein kleiner Junge in Unterhose, der Baseball mit sich selbst gespielt hat. Diese Bilder sind jedes Mal für mich aufs Neue erschreckend... In diesen Verhältnissen täglich zu leben ist unvorstellbar für mich, und dennoch der Alltag von vielen Einwohnern Nicaraguas

Rumfabrik
In jedem Fass ein edler Tropfen von "Flor de cana"

Im Norden des Landes hat die „Grupo Pellas“ 44.000 Hektar Land mit Zuckerrohranbau, dessen Saft destilliert und bis zu 18 Jahren gelagert wird um dann als Flor de Caña, Nicaraguas berühmtester Rum, verkauft zu werden. Er wird in 5Kontinente, 40 Länder exportiert und macht die reichste nicaraguanische Familie, die Pellas, nur noch reicher. Ihr Ruf ist sehr umstritten, einerseits bauten sie Schulen und Krankenhäuser, diese sind teils aber nur für Familien mit viel Geld zugänglich, da eine Anzahlung von 800Dollar bei jedem Krankenhausbesuch bar fällig wird. Die Schule ist dagegen öffentlich. Die Arbeiter in den Zuckerrohrplantagen erleiden chronisches Nierenversagen, da Pestizide während ihren Arbeitszeiten versprüht werden und sie keinen Mundschutz haben. Diese Pestizide gelangen in das Grundwasser, von dem das umliegende Dorf täglich Gebrauch macht und verpestet es. So starben innerhalb von 10Jahren 11.000 Menschen an chronischem Nierenversagen als Spätfolge des Pestizideinsatzes!

Transportmittel Nummer 1 auf dem Land: das Pferd.
Eine Lehmziegelfabrik bei Leon: Über dem Ofen glüht die Luft vor Hitze, rechts und links liegen aufgetürmt die frisch gebrannten Lehmziegel. Hier gibt es eine Region, in der die Straße von diesen Lehmziegelfabriken gesäumt ist!

Hängematten sind ja bekannt für Lateinamerikanische Länder. Aber so eine große? Da passt selbst eine gewohnt große Nicaraguanische Familie von 10Personen aufwärts rein!
Eine Kokospalme. Am Pazifikstrand in El Ostional wurden uns Kokosnüsse frisch von der Palme zum Frühstück geschlagen, deren Saft wir trinken konnten um dann das leckere Fruchtfleisch zu verputzen! MHHM, was ein Start in den Tag!
Eine gut gefüllte Camionetta.. Trampen geht hier wunderbar!

Ökologische Kaffeefarm

Im Norden liegt eine Kaffefarm, zu der wir 2 Stunden hinaufkletterten  mitten durch Nebelwald. Der Besitzer hat einen eisernen Idealismus den Wald zu retten und für eine nachhaltige Umwelt zu sorgen. Daher sind 60% seines Landes „nutzloser“ Wald, da er lediglich die gefallenen Bäume als Brennholz nutzen darf, jedoch keine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben darf! 30% sind Kaffeeplantagen der Sorte Arabica und 10% Weideland für Rindvieh oder Maisanbau. 
Ökologische Produktion bedeutet, dass keine Pestizide verwendet werden dürfen, lediglich natürliche Düngermittel oder Schädlingsbekämpfung auf Basis von Knoblauch, Chili oder Zwiebel. Auf seiner Finca steht eine Biogasanlage, die 100% seines Strombedarfes im Winter(Oktober-April) deckt. Weiterhin hat er einen Kinderhort und eine Schule für die Kinder der Saisonarbeiter errichtet. Mit den Kindern macht er auch gezielt Umwelterziehung um den Wert der Natur weiterzugeben und unseren Lebensraum zu schützen. Die Finca unter ihm ist eine technische Produktion, nutzt Pestizide und rodete den vorhanden Wald ab, anstatt wie er ihn zu schützen. So schrumpft der Nebelwald und zahlreiche Habitate wurden zerstört, Arten sterben aus.
Die rote Schale der Kaffeesamen wird entfernt, sie ist zuckersüß und reichhaltig an Nährstoffen. Sie wird zu Kompost verarbeitet und dient später als Düngemittel für die Felder. 
Der Komposthaufen der Fruchschalen inklusive Hahn und eingegrabener Platanopflanze.
Nachdem die Bohne gewaschen wurde wird sie an Großproduzenten weiterverkauft, die sie rösten und exportieren. 
Die Kaffeefelder der Großproduzenten, hier liegen sie an der Sonne zum trocknen. All die weißen Säcke sind voller Kaffee, soweit das Auge reicht!
Mittagspause für die Angestellten der Kaffeefarm.. stilecht mit einem Fresco-Stand, um dessen Verkauf sich alle sammeln.
Der Kaffeebauer bekommt für 46Kg ungeröstete Kaffeebohnen 1400-1600Córdoba(abhängig von der Qualität), umgerechnet 58-66Dollar! Der Wert dieses Kaffees nach der Weiterverarbeitung steigt um ein vielfaches auf dem Weltmarkt, doch der Kaffeebauer sieht von diesem Geld nie etwas. Er bekommt ein Hungersgeld für seinen Anbau, und dennoch heißt der Kaffee in Nicaragua „café oro“- „Goldkaffee“
Der Ausblick aus den Bergen im Norden, die den fruchtbaren Boden für den Kaffeeanbau liefern.



Heiße Quellen

In San Jacinto steigt brodelndes Wasser aus schlammigen Bodenlöchern, Rauchwolken schweben über aufgerissenem Erdboden, es herrscht eine große Hitze. 
Die Landschaft der heißen Quellen
Mittendrin sammeln Kindern den Schlamm in Plastiktüten und verkaufen diesen als Heilerde. Ihre Hände sind narbenübersät da immer heißer Schlamm hochspritzt und offene Brandwunden hinterlässt, die nur langsam heilen. 
Und ein 14jähriges Kind bei der Arbeit.
Viele Touristen, die sich nicht von den Kindern führen lassen wollen, treten an eine falsche Stelle und versinken in den weichen Boden und müssen dann mit Brandwunden im Krankenhaus behandelt werden. Die Erde ist grün, gelb,schwarz, weiß, braun, rot- voller Mineralien! 

2 Jungs auf ihrem Pferd, die durch die Gegend reiten- und im Hintergrund -was auch sonst- ein Vulkan! :)
Exotische Vögel beim Zerlegen unserer Ananasschalen- Scheu sein kannten die nicht! Und weil beide so großen Hunger haben, wird sich auch mal um die Ananas gestritten!



Las mujeres ambientalistas

Ein Zusammenschluss von 4 Frauen, die organisches Papier herstellen. Aus recycletem Papier(alten Schulheften, Zeitungen..) und Natursubstanzen wie Bananenblättern, Hibiskusblüten, Cocosraspeln oder Zwiebeln stellen sie neues Papier in tollen Farben her! Das Prinzip ist, keine chemischen Substanzen zu verwenden, alles per Hand herzustellen und gleichzeitig die Kinder für die Umwelt sensibler zu machen. So arbeitet die Kooperative mit Grundschulen zusammen und führt Aktivitäten für Kinder sowie Umweltprojekte durch. Daher werden sie von dem 3.Welt Laden in Deutschland unterstützt!
Die Kathedrale der Hauptstadt Managua, die bei einem gewaltigen Erdbeben 1972 teilweise einstürzte. Die Umgebung der Kathedrale war ein Trümmerhaufen und wurde bis heute nicht wieder vollständig aufgebaut! Oberhalb des Eingangs ist ein riesen Banner der Kampagne des Präsidenten Daniel Ortegas zu sehen "Paz y bien..por el bien de todos" -Friede für das Gemeinwohl aller! ´Wieder einmal ist schön die Vermischung von Politik und der Kirche zu erkennen!


Wäschefrauen im Fluss bei der Arbeit. Die riesigen Klamottenberge sind jedoch nur von ihren eigenen Familien! So waschen sie im Fluss gemeinsam ihre Wäsche.
Eine Totenkutsche aus Granada. Hier werden die Toten von der Kirche auf den Friedhof gefahren, die Pferde sind üppig mit Spitzentüchern behängt und die Kutsche erinnert an die Papstkutschen aus alten Filmen.
freilaufende Schweinchen vor dem Ortsschild an der Pazifikküste..

Slums an den Hügeln von Matagalpa. Die schwarzen Fleckchen sind Plastikplanen über Holz gespannt, das sind die Häuser vieler der Einwohner. Sie leben ohne Elektrizität und fließend Wasser!

Sonnenuntergang an der Pazifikküste mit mir vornedran :)
Besagte Pazifikküste in einem kleinen Fischerdorf.
"No molestar a los murcielagos"- "Die Fledermäuse nicht belästigen". Ich war auch gaaaaanz leise.. Und hab direkt mal Fledermäuse live gesehen!


Liebe Grüße- und das oben wäre ich, wenn ich mehr als 3 Monate in meiner Gastfamilie gelebt hätte! Das steht fest.

Samstag, 23. Februar 2013

Rückreisedatum

Hallo ihr Lieben!

Ich habe letzte Woche ganz überraschend mein Rückreisedatum erfahren! Meine Organisation entschloss sich dazu, dass wir 3 Freiwilligen 2 Monate früher ausreisen sollen. Das hängt damit zusammen, dass wir alle Dengue hatten, die Fieberkrankheit. Nachdem Im Mai die Regenzeit beginnt und wesentlich mehr Mücken existieren steigt gleichermaßen das Denguerisiko. Daher der Entschluss, schon vor der Regenzeit auszureisen.

Am 16. Mai werde ich in Frankfurt landen und wieder deutschen Boden unter meinen Füßen spüren!

Ich fliege nach Hause, wie dieser Kolibri, den ich auf der Reise mit meinen Eltern gesehen habe.. ;)
Es ist ein seltsames Gefühl, plötzlich stehen nur noch 3 Monate Nicaragua vor mir. Die Zeit rast gerade, da ich so eingespannt in meine Projekte bin und noch so viel geplant habe!

Freitag, 22. Februar 2013

La vida en Nicaragua.. tan distinta a nuestra! (Das Leben in Nicaragua.. so unterschiedlich zu unserem!)



Dies wird der Versuch, euch Nicaragua in besonders schönen, amüsanten und auch negativen Seiten und Momenten darzustellen, die ich hier kennengelernt und durchgemacht habe! 
Ich habe in allen möglichen Alltagssituationen die Augen offen gehalten und mir Details gemerkt, die ich mal wild zusammentrage, um einfach von allem etwas zu zeigen. Fühlt euch versetzt in die Welt am anderen Teil der Erdkugel..




Man läuft durch die Straßen, an bunt gestrichenen Häusern vorbei, die über die gesamte Front strahlende Werbungen von Kaugummimarken oder Softdrinkfirmen trägt. 
Hier eine Kaugummiwerbung für ein strahlendes Lächeln
Der Weg führt über wirr zusammengewürfelte Bürgersteige(mit Absicht spreche ich in der Mehrzahl von Bürgersteige), da vor jedem Haus ein eigener Bürgersteig ist, und ab dem nächsten Haus beginnt der neue. Das bedeutet also verschiedene Höhen, Fließen, Muster, Zustände! Wie oft bin ich schon gestolpert, total in Tagträumen, weil plötzlich ein neuer Teil begann. Oder während der Regenzeit ausgerutscht, weil keine aufgerauten Fließen, sondern glatte folgten und der Boden unter meinen Füßen plötzlich weggezogen zu werden schien.

Die Höhe der Bürgersteige kommt übrigens von der Regenzeit, in der es oft so Monsunartig regnet, dass die gesamte Straße überflutet ist, und man so wenigstens auf den Bürgersteigen nicht bis zum Knie in Wasser steht.

An der Straßenecke ist ein Tortillaventa, ein Verkauf von selbstgebackenen Maisfladen, die über einem Holzfeuer zubereitet werden. Diese Kochart über dem Holzfeuers wird oft erhalten und ist eine tolle Art, Traditionen zu bewahren. 
Ein Frittangastand an einer Kreuzung: gebratenes Fleisch, frittierte Maduro, Tortillas. Alles hygienisch ungekühlt damit es bei der Hitze besonders viele Bakterien anzieht ;)
Der Venta liegt meist im privaten Wohnzimmer, wo sich auch das normale, tägliche Leben abspielt. Häufig sind dies auch Tante-Emma-Läden, in denen man an jeder Straße mindestens einen findet und einfach das wichtigste bekommt, von Lebensmitteln über Getränke bis hin zu Waschpulver!
Das ist sogar der Venta meiner Gastfamilie.. mein Zuhause für 3Monate, in dem ich täglich mit verkaufen geholfen habe.
 Und die Familie sitzt mittendrin, lebt ihr Leben, isst, unterhält sich.. Die Trennung von Beruf und Privatem ist in Nicaragua viel weniger ausgeübt, was auch daran liegt, das wenigiger Arbeit mit Studium ausgeübt wird und mehr Handarbeit verübt wird.

Ich laufe weiter zu meiner Gastfamilie und erfahre eine unglaubliche Gastfreundschaft, egal wo ich hinkomme. Alle fragen interessiert wo ich herkomme, wie ich Nicaragua wahrnehme, wie ich mich fühle. Mir wird Essen angeboten, alles wird mit den Gästen geteilt, egal wie arm die Familie ist. Meine Gastfamilie kochte oft und lud spontan die Kunden im Venta ein, auch mitzuessen. Jeder Nachbar hilft hier jedem, man kennt sich und sieht sich als Teil der Familie an! In meiner Gastfamilie herrschen schon ganz andere Gewichtsklassen, sie gehören eher zum Schwergewicht. Meine Gastmama ist quadratisch, praktisch, rund und gut! Selbst meine Gastgeschwister von 4 bzw 10 Jahren sind schon übergewichtig, aber dennoch wird hautenge Kleidung angezogen, in denen man die einzelnen Fettringe abzählen kann. 
Ein kleiner Körpermassenvergleich.. Das ist meine Gastmama in Hülle und Fülle :)
Verrückt ist die Verteilung von Körperfett, viele Nicas haben dünne Beinchen und kaum Hintern, dafür eine immense Wampe, die Genetik ist einfach unterschiedlich zu der Deutschen. Gekauft wird auch grundsätzlich größenunabhängig. Eine dicke Person passt hier auch in S, und wenn das Tshirt dann halt zu kurz ist, wird ein zweites drunter gezogen..;)

Ein Schaukelstuhlverkauf auf dem Mercado, dieser darf in keinem Haushalt fehlen- auch wir haben 2 Stück :)
Das Leben auf den Straßen pulsiert, es ist laut, Stimmen tönen von einem Haus zum anderen, die Menschen sitzen auf dem Bürgersteig vor ihrem Haus mit Schaukelstühlen und unterhalten sich, betrachten das Geschehen auf der Straße.

 Man kann freilaufende Hunde bei ihren Straßenkämpfen beobachten, übersät von Wunden und Narben, oft mit nur 3 Pfoten oder humpelnd, viele davon mit Zitzen bis zum Boden von den vielen Schwangerschaften.

Ich verstehe langsam, warum die Menschen hier so stark gläubig sind. Sie können nichts haben, im Dreck leben wörtlich gesagt und haben trotzdem Gott an ihrer Seite. Es gibt ihnen einfach Stärke und zeigt ihnen den Blick fürs Wesentliche. Es geht nicht darum, wie in Deutschland, immer mehr Luxus zu haben. Es geht viel mehr darum, sein Herz zu öffnen und Gutes zu tun, jeden Tag zu genießen, Lebensfreude zu haben. Andersherum führt diese Religiösität auch zu einer Resignation und Naivität, viele Menschen nehmen ihr Schicksal hin ohne dafür zu arbeiten, ein besseres Leben zu haben. Stets wird gesagt, wenn Gott möchte, dass ich ein größeres Haus und einen besseren Job habe, dann wird er mir den Weg weisen. So wird auch stets geantwortet „Gracias a dios –dank Gott“ zb. Bei der Frage: „Wie geht es dir?“- „Gut, dank Gott.“ 

Doch die Vorurteile, mit denen man immer konfrontiert wird, diese Klischees der Herkunft, spiegeln sich auch hier wieder. Hier wird über alle Deutschen gesagt sie seien geizig, pünktlich, penibel und unfreundlich und besonders leicht im Bett zu haben. Ich laufe durch die Straßen, und fühle mich durchgängig beobachtet, bin wie das schwarze Schaf unter weißen(ironischer Vergleich..) und werde einfach immer auffallen. Mir wird von manchen (es gibt natürlich solche und solche, nicht ansatzweise alle Männer machen das!) Männern nachgepfiffen, immer mit den Worten „Komm her, Weiße, Europäerin, mein Baby, ich liebe dich“ entweder auf Spanisch, oder wenn sie es können, auf gebrochenen Englisch. Immer dieselbe Phrase. Ich will hier nicht nur als Objekt angesehen werden, und doch kann ich nichts dagegen machen. Ich werde als Gringa(= Nordamerikanerin mit negativer Konnotation) bezeichnet und es bringt aber auch nichts zu erklären, dass ich weder aus Nordamerika komme noch ein Sexobjekt bin. Aber so hat eben jede Gesellschaft ihre Klischees und die jeweiligen Gruppen müssen sich als etwas ansehen lassen, was sie in vielen Fällen gar nicht sind.

So hielten wir letzes Wochenende ein Vorbereitungsseminar ab, für eine Gruppe von Nicas, die für 2 Wochen nach Deutschland reisen werden, im Zuge der Städtepartnerschaft und als Koordinatoren der Projekte, in denen die Freiwilligen untergebracht sind. Auf unsere Frage, vor was die Teilnehmer bezüglich der Reise für Ängste haben, kam eine sehr amüsante Antwort: Neben der oft genannten Flugangst, weil hier noch fast niemand jemals in seinem Leben geflogen ist, hieß es auch „Ich habe Angst vor den Terroranschlägen in Deutschland.“ –Diese Aussage kam wohl von all den nordamerikanischen Hitlerfilmen, die immer im Fernsehen laufen. Das Terroranschläge heutzutage nicht Standard sind, wusste keiner.

Ein vollbeladener Microbus fährt vorbei, dieser sammelt die Menschen, die winken, von der Straße ein- Haltestellen gibt es kaum. Jeder wird dort an der Route aufgenommen und rausgelassen, wo er möchte. Von außen sind man nur Rücken und Pos gedrückt am Fenster, der Bus ist proppevoll- in einen Bus für 15Leute gehen hier locker mal 25, es wird gestapelt, frei nach dem Tetris-Prinzip. Grundsätzlich wird einem gesagt, es ist noch Platz im Bus! Und der Busfahrer schreit mit tiefer Stimme Managua-Managua-Mangua, UCA,UCA,UCA, die nächsten Ziele an.

Eins steht fest:
Verhungern wird auf Busfahrten in den ausrangierten amerikanischen Schulbussen hier niemand. 
Kinderarbeit in Nicaragua. Die kleine verkauft Chips und Nüsse, und rechts im Bild sieht man schon die nächste Person mit Ware einsteigen!
Kakaofresco aus der Plastiktüte trinkfertig mit Strohhalm drin!
An jeder Haltestelle kommt ein neuer Verkäufer mit der Ware auf dem Kopf in den Bus, preist seine Ware an, verteilt selbstgemachte Frescos(Fruchtgetränk mit Zucker), Gebäck, Süßigkeiten, Kaugummis oder auch Plastiktüten gefüllt mit frittierten Kochbananenscheiben und Hähnchenkeulen zum kleinen Preis. Eine Busfahrt ohne aus Plastiktüten essenden Menschen, die dann achtlos aus dem Fenster geworfen werden, existiert in Nicaragua nicht! ;)


Die Busse werden frei nach dem Motto „Pimp my Ride“ aufgemotzt, was das Zeug hält. Jeder ist individuell gestaltet, mit Feuerzeichen an der Außenseite oder aufwendigem Graffiti, innen vollgeklebt mit Jesus-Stickern und „Gott zeige mir den Weg“/“ Ich fahre mit Gott“.. und natürlich bunte Jungfrau Maria Figuren! Der Rückspiegel ist ja auch für die Fahrt überbewertet und kann munter zugeklebt werden! Das wichtigste Utensil in einem Bus ist jedoch die Hupe, die bei jeder Kurve gefühlt benutzt wird, um andere Busfahrer zu grüßen oder Melodien von sich zu geben in Morsezeichen-ähnlicher Anwendung.
Grün, rot, oder doch lieber gelb? Ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn das Licht angeht!(Viele der Busse hier sind nämlich auch beleuchtet und haben Neonröhren in allen Farben angebracht.


Aber nicht nur in den Bussen wird die Ware angepriesen, auch durch die Straßen laufen Frauen mit Schürze und einem riesigen Bastkorb auf dem Kopf, oder schieben einen zweirädrigen Holzwagen vor sich her, mit Obst und Gemüse, Käse oder Mehlsäcken drin und schreien in tiefer Stimme, was sie anbieten.
der Handkarren vollbeladen mit Platano und dahinter die "moderne" Welt, der Bus. Verrückte Gegenüberstellung von Kraftarbeit und Technologie!

Viele der vorbeifahrenden Autos haben Lautsprecher auf ihrer Ladefläche und beschallen die Gegend mit discoähnlicher Lautstärke. Die neusten Mobiltelefone oder Werbekampagnen mit lauter elektronischer Chartmusik- oder auch die Todesanzeige einer Person. Das ist für uns unvorstellbar, wenn hier ein Mensch stirbt wird dies über Lautsprecher bekannt gegeben, die genaue Uhrzeit sowie all die Angehörigen aufgelistet. Nachdem Familien hier aber eher groß sind, folgen da meistens 10 oder mehr Namen! Allgemein schallt immer von irgendwo aus der Nachbarschaft laute Musik, und niemand würde sich auf gewohnt deutsche, gereizte und kleinkarierte Art beschweren.. ist ja auch total nett, wenn andere das Radio für einen mit aufdrehen. ;)

Nun bin ich bei der Arbeit angekommen, pünktlich. Eine der Lehrerinnen kommt eine halbe Stunde zuspät, ebenso viele der Kinder. Die Erklärung ist „Ich war beschäftigt“ oder „Es gab ein Hindernis“. Genaue Entschuldigungen für den Grund der Verspätung wird man hier nie erhalten! Alles ist einfach etwas entspannter, niemand ist so strikt, ordnungswütig und pünktlich, wie es den Deutschen immer nachgesagt wird.

Taxis hupen Menschen am Straßenrand an, um auf sich aufmerksam zu machen, sich als Fahrer anzubieten. Denn Taxis sind ein großer Bestandteil der Verkehrsmittel. Man wartet einfach (höchstens 2 Minuten) an der Straße, schon kommt ein Taxi vorbei, man winkt es heran und fragt nach den Preisen und schwupps kommt man von A nach B.  Anfangs dachte ich jedoch immer, ich würde jegliche Verkehrsregeln missachten und sie hupen, um mich darauf aufmerksam zu machen. Nervig ist, dass auch viele Taxifahrer nur hupen, um dann langsam an einem vorbeizufahren und zu pfeifen oder einem Anmachsprüche hinterher zu rufen.

Die Straße zieren Cyber(Internetcafés) und Laboratorios(Labore, in denen vorwiegend Stuhlproben und Bluttests zur Parasitenüberprüfung gemacht werden), da viele Einwohner keinen PC haben aber bei Facebook sehr aktiv sind, und so besonders gerne ihren Status aus einem Internetcafé posten(kein Witz!) und die Laboratorios sind dank dem Parasitenangebot in den lateinamerikanischen Ländern ja selbsterklärend.. ich selbst fühle mich schon als Stammgast, man kennt mich per Namen und wünscht mir stets gute Besserung! Nachdem ich öfter mit Parasiten zu kämpfen hatte ging ich in die Apotheke, um die mir verschriebenen Medikamente zu kaufen. Diese wurden mir dann als lose Tabletten ohne Beipackzettel in einer Plastiktüte ausgehändigt, und das ist hier Gang und Gebe. Wozu sollte ich auch nachlesen wollen, wann&wie ich sie einnehmen muss, was für Nebenwirkungen auftreten könnten usw? ;)



Hinter dem Wellblechzaun verstecken sich Häuser auf Erdboden, oft mit löchrigen Dächern. Und mittendrin stehen Plamen, die so viele von uns mit dem Paradies verbinden. Welch Ironischer Gegensatz..
Verrückt ist, dass es kaum eine Einteilung der Stadt in reiche und arme Viertel gibt, zwischen 2stöckigen Häusern(eine Seltenheit!) sind Wellblechhütten auf Erdboden versteckt und direkt nebenan steht das teure Auto.

Auch die Mimik und Gestik unterscheidet sich stark von der deutschen: Alles wird hier mit dem Mund angezeigt, Richtungsangaben oder auch Gefallen/Missgefallen. Dafür werden in einer schnellen Bewegung die Lippen gespitzt und nach vorne geschoben! Auch wenn man nach dem Weg fragt wird einem mit so viel Körpereinsatz gezeigt, welche Straße man abbiegt und wie weit man läuft- alles mit den Händen in großen Bewegungen. Achtet mal in Deutschland drauf, die Leute erklären viel ausführlicher mit Worten, benutzen aber selten die Arme in großen Bewegungen!

Heute noch laufe ich durch die Straßen und bin fasziniert, wie anders alles ist und wie sehr ich mich schon an alles gewöhnt habe. Die Nachbarsmusik fällt kaum noch auf, die Lautsprechermusik auf der Straße wird geduldig abgewartet, Straßenhunde sind das normalste der Welt. Nur an das Marktgetummel und die riesigen Obstberge direkt neben Schweineköpfen und mittendrin Straßenhunde- 
Meine heiß geliebten Kochbananen!
daran habe ich mich immer noch nicht gewöhnt und gehe einfach doch lieber im Supermarkt einkaufen. Schande über mich!


Zum Schluss ein paar Nicaraguanische Weisheiten(Dinge, die ich hier erlernt habe), die das Überlebenstraining in der Fremde sichern und die Welt hier verständlicher machen:

 1.       Grundsätzlich benutzt keine Person weder viel Zucker in den Kaffee noch viel Fett in den Speisen- warum alle so dick sind, weiß ich auch nicht!
2.       Egal wie geschwitzt man ist, Begrüßungsküssen verteilen ist Standard.
3.       Duschen direkt nach dem Sport mit Seife(Duschgel gibt es hier nicht) schadet der Haut, da die Poren offen sind.
4.       Saure Früchte am Abend bringen Halsschmerzen oder Husten am darauffolgenden Tag, da die Säure die Schleimhäute angreift.
5.       Fast alle Frauen tragen ihr Haar hier lang, es ist ein Schönheitsideal bis ins hohe Alter!
6.       In Clubs imitiert man den Sex und tanzt so lasziv wie möglich, und grundsätzlich tanzt man nur in Paaren von Mann und Frau.
7.       Müllverbrennung leicht gemacht: Man nehme allen Abfall den man hat, stecke ihn in eine Plastiktüte und zünde diesen an. Diese gesunden Gase werden dann vor der Haustüre frei, denn dort ist es ja am logischsten den Müll zu verbrennen. Besonders gerne werden Plastikflaschen, Kleidung oder Batterien verbrannt, denn Sondermüll gibt es hier nicht.
Müllverbrennung auf freiem Feld, direkt neben einer Straße.


8.       Die Grundausstattung eines jeden Taxis: eine gesplitterte Windschutzscheibe, kaputte Tacho- und Benzinstandanzeige, klappernde Karosserie die bei jedem Erdhubbel aufsetzt und mindestens ein kaputtes Fenster, dass sich nicht mehr hochkurbeln lässt. FERTIG, schon kann die Taxifahrt im sichersten Gefährt Nicaraguas beruhigt losgehen!


Der Platanobaum direkt vor meinem Zimmerfenster.. Im Hintergrund unsere Hängematte :) DAS ist Nicaragua.
Und zu guter Letzt: in meinem Garten steht ein Platano-Baum(Kochbananen), der Früchte trägt die langsam reif werden. Dann kann ich ganz viel mit backen und täglich süße Maduro(reife Kochbananen) essen, nach denen ich süchtig bin :) 


Ihr zittert bestimmt gerade alle in Deutschland bei Schnee, während ich bei 35° seit 7Monaten täglich schwitze .. ;)