10 Monate sind vorbei. Ich habe bestimmt nicht die Welt
gerettet, aber einige Dinge haben sich durch meinen Aufenthalt in Nicaragua in
meinem Projekt verändert.
Die möchte ich euch kurz auflisten:
Anschaffungen und Veränderungen, teils dank Spendengeldern
Kuschelecke
Erste-Hilfe Koffer
wöchentlicher Obsttag
Belohnungssystem für Hausaufgaben
Rucksäcke geordnet aufs Regal, insgesamt ein geordneterer
Zeitablauf
Tafeln(Whiteboards) für jedes Nivel
Preescolar
Am fleißigen Bekleben der Nummer 1. |
Die letzen 2 Monate war ich im 2. Nivel tätig, um in alle
Klassenstufen einmal herein zu schnuppern. Dort unterstützte ich die Lehrerin
Lucia mit ihren 50 Schülern. Mit vielen Erneuerungen starteten wir in das
Schuljahr und brachten so mehr Ordnung in den Tagesablauf.
1. Die Kinder kommen nun
in den Klassenraum und legen ihre Rucksäcke in einem Regel ab, händigen ihre
Schulhefte an die Lehrerin aus und setzen sich hin. Das garantiert erstmals,
dass wir alle Schulhefte bekommen und jedem seine Hausaufgaben rein zeichnen
können. Außerdem besteht so nicht die Möglichkeit, dass sie sich mit den
Rucksäcken gegenseitig schlagen, was leider häufig vorkam.
2.Dann dürfen sie etwas spielen, bis der Unterricht beginnt.
Dafür wird ein großer Stuhlkreis gebildet in dem Lieder gesungen werden,
gebetet wird sowie das Tagesthema besprochen wird. Im Anschluss daran setzen
die Kinder sich an ihre Tische und bearbeiten ein Arbeitsblatt zum jeweiligen
Thema, meistens bedeutet dies etwas bunt anmalen. Man darf nicht vergessen,
dass die Kleinen erst 4-5Jahre alt sind!
Pure Freude am Malen der Arbeitsblätter, Fernanda aus dem 3. Nivel |
3. Anschließend wasche ich ihnen die Hände, bevor das Essen
verteilt wird.
4.Danach verteilen wir die Schulhefte mit der Hausaufgabe drin,
die sie mit nach Hause nehmen.
5.Schließlich ist noch mehr freie Zeit zum Spielen
übrig, entweder auf dem Spielhof oder in dem Klassenraum, für Mitmach-Lieder
oder Geschichten, für Märchenerzählungen oder oder oder. Und dann werden sie
auch schon abgeholt, normalerweise um 11.30. Die ersten Eltern kommen meist
schon um 10.45 und das letzte Kind wird selten vor 12 abgeholt. Diese lange
Zeitspanne des Wartens ist unnötig und raubt viel Zeit, die man sinnvoll
verwenden könnte. Leider ist es schwer, die Eltern in der Hinsicht
„umzuerziehen“, und eine Besserung steht nicht in Aussicht.
Beim fleißigen Bekleben der Nummer 1. |
Ein
Erlebnis, dass mich sehr schockiert hat, war die Herangehensweise der Lehrerin
an die Unterrichtseinheit „Gefühlszustände“.
Den Kindern wurde erklärt: „Wenn
eure Mama euch ein Eis oder eine Wassermelone kauft, seid ihr glücklich.“
Anstatt zu sagen, dass man glücklich ist, wenn man umarmt wird, wenn einem
gesagt wird, dass man geliebt wird oder ähnliches zwischenmenschliches. Laut
ihrer Erklärung macht nur Essen froh.
Weiterhin fragte sie: „ Wann seid ihr
traurig?“, und das erste Kind antwortete spontan: „Wenn ich geschlagen werde“.
Daraufhin hakte die Lehrerin nach: „Warum wirst du geschlagen?“ und der Schüler
antwortet: „ Weil ich lästig bin, sagen meine Eltern.“
Dies ist immer genau die Begründung, die Eltern hier
verwenden, um ihre Kinder zu schlagen. „Hoy te pego- Heute schlage ich dich“
ist ein häufig benutzter Wortlaut, wenn Eltern ihre Kinder von der Vorschule
abholen und sehen, dass diese schmutzig sind oder sich schlecht benommen haben.
Und die Begründung ist stets, weil er „necio“-lästig- ist. Doch diese tägliche
Konfrontation mit häuslicher Gewalt und der Umgang mit den Kindern setzt mir
stark zu und bis heute weiß ich nicht, wie ich bei den Eltern am besten darauf
reagieren soll.
Einen Tag kam ein Ärzteteam in die Vorschule, die den Kindern
Vitaminpräparate gaben, eine Polio-Impfung verpassten und eine
Entparasitierungstablette mitgaben. Das war eine kostenlose Behandlung, die aus
einer Nordamerikanischen Hilfsorganisation entstanden ist.
Schön den Mund auf! Die Vitamintropfen können bei all dem Gemüse und Obstmangel ja nur gut tun ;) |
Der Lehrplan stuft Kinder in Nicaragua meiner Meinung nach
nicht angemessen für ihr Alter ein und überfordert ihre Entwicklungsstufe.
So
ist eine Unterrichtseinheit für das 2. Nivel, 4-5 jährige Kinder, Kartensymbole
zu lernen. Mittlerweile sollen sie wissen, was das Symbol für Flughafen, Fluss,
Hauptstadt und Straße ist. In dem Alter bezweifele ich jedoch, dass sie sich
eine Landkarte Nicaraguas ansehen werden. Eine weitere Unterrichtseinheit ist
die der Verkehrsschilder, unter anderem „Stopp“ sowie „Einbahnstraße“. Diese
Einheit mag sinnvoll sein, wenn sie aktive Verkehrsteilnehmer auf Fahrrädern
werden und den Sinn einer Einbahnstraße befolgen können. Auch in Deutschland
erfolgen diese Unterrichtseinheiten recht früh, bereits im Grundschulalter.
Aber zur selben Zeit absolvieren die deutschen Grundschulkinder ihre
Fahrradprüfung und benötigen all diese Verkehrszeichen, es hat einfach einen
direkten Bezug zum Leben.
Der Curriculum schreibt so manches Mal Lehrplaninhalte vor,
die mich ganz schön frustriert haben, da jede Unterrichtseinheit nur einen Tag
lang behandelt wird und die Kinder die Schule verlassen, und nichts gelernt zu
haben scheinen. Mir scheint es wäre wesentlich wichtiger, ein Thema auf
aufeinanderfolgenden Tagen zu bearbeiten und den Kindern gemessen an ihrer
Entwicklung Inhalte zu vermitteln. Doch die Lehrerinnen meiner Vorschule
möchten sich gerne genauestens an den Lehrplan halten.
Die kleinsten aus dem 1. Nivel mit der Lehrerin Leo im Stuhlkreis, sie sind zwischen 2-3 Jahren alt. |
Besonders glücklich war ich, als wir einen Obsttag
gestalteten, den ich schon lang plante. Jedes Kind aus dem 2. Nivel brachte
eine andere Frucht mit und wir mischten einen großen Obstsalat draus, von dem
alle 3 Klassenstufen essen konnten! Und entgegen all der Warnungen der
Lehrerinnen, den Kindern würde kein Obst schmecken, waren alle begeistert! An
diesem Tag durften außerdem keine
Süßigkeiten im gegenüberliegenden Venta gekauft oder konsumiert werden,
wie sonst üblich. Auch die Tageseinheit des Unterrichts behandelte das Thema
gesunde Ernährung. Ein gelungener Tag ohne Chips und fettiges Essen für die
Kinder.
Denn dies finde ich weiterhin schade, das tägliche warme Essen, dass
die Vorschule verteilt, besteht immer nur aus Kohlenhydraten(Bohnen, Reis) und
Fleisch, angemacht mit viel Fett und ohne Gemüsebeilage.
Die Köchin Marisol beim frittieren von "Rosquillas", Teigröllchen aus geschrotetem Mais |
Viel wichtiger wäre
es, den Kindern viel Gemüse zuzubereiten, da sie ohnehin schon genügend Reis
und Fleisch zuhause bekommen.
Diesen Obsttag, den wir
seit dem wöchentlich durchführten,
soll die Kinder sensibilisieren, mehr Obst und Gemüse zu essen, da dies in der
Erziehung nicht vermittelt wird- weder im Elternhaus noch in dem Curriculum.
Jedes Kind brachte also Früchte für den großen Obstsalat mit. Die Resonanz der
Kinder und deren Eltern war durchweg positiv!
Außerdem führten wir ein Belohnungssystem für die
Hausaufgaben ein, vor allem als Anreiz für die Kinder, diese täglich zu machen
und sich Mühe dabei zu geben. Denn leider unterstützen viel zu wenige Eltern
ihre Kinder bei ihrem Lernprozess, fragen nicht nach Hausaufgaben und erledigen
diese nicht mit ihren Kindern. Also malen wir in jedes Schulheft mit erledigten
Hausaufgaben ein glückliches, lächelndes Gesicht und in jedes ohne Hausaufgaben
ein trauriges Smiley.
Beim Knete-Selbstgemacht-Versuch. Eine Mischung aus Mehl, Ei und Wasser- und natürlich Farbe! Eine schmutze und unglaublich lustige Angelegenheit, und den Kindern hats Freude bereitet. |
Und die Finger danach sehen auch ansehlich aus! :) |
In all den Monaten erfuhr ich auch in meinem Projekt eine so
große Gastfreundschaft. Manchmal fragte ich die Erwachsenen nach bestimmten
Lebensmitteln und ob sie wissen, wo ich diese kaufen kann (vergeblich suchten
wir das Jahr über nach Spinat, denn auf dem Markt wird dieser einfach nicht
verkauft und auch die Supermärkte führen diesen nicht in ihren
Tiefkühlregalen). Oft wurde mir am nächsten Tag spontan diese Sache mitgebracht
und die Schenker wollten nicht einmal Geld dafür. Es wird als
selbstverständlich angesehen, sich gegenseitig zu helfen, und nicht jeder Cent
wird penibel zurückverlangt, wie es oft in Deutschland geschieht. Bis heute
erstaune ich jedes Mal erneut über diese Herzlichkeit!
Etwas Gruppenkuscheln darf auch nicht fehlen! :) Als Spielbaum mache ich mich übrigens super. Zum draufspringen, hochklettern, durch-die-Luft-wirbeln-lassen und so weiter.. ;) |
Dankbar war ich hier für Spendengelder, die ich über den Verein für
internationale Beziehungen erhielt, um eine Kuschelecke aufzubauen. Das
bedeutet ich kaufte Matratzen, Decken, Kuscheltiere und Bilderbücher und
schaffte einen Ruhepol in dem Klassenraum, in dem die Kinder unter gewissen
Regeln (keine Schuhe, keine Süßigkeiten, keine Aggressivität oder Gewalt im
Umgang miteinander und keine hohe Lautstärke) spielen dürfen, oder einer
Märchenerzählung der Lehrerin lauschen können.
Die Kuschelecke mit Matrazen, Kuscheltieren, Büchern und dem großen Wandplakat |
Und schon sind alle Kinder auf der Kuschelecke versammelt und geniessen die bequeme Matratze unter sich und die ruhige Atmosphäre zum Spielen und Lesen. |
Die 4jährige Ashley beim faszinierten Lesen des Buches " der kleine Prinz" |
Und das Wandbild nochmal in Groß. Es zeigt die Idealsituation, in der die Kinder in der Kuschelecke spielen sollen und wurde mit viel Liebe von mir an einem seeehr langen Wochenende erstellt! |
Weiterhin schaffte ich von den Spendengeldern einen Erste-Hilfekoffer an,
mit den wichtigsten Bestandteilen einer Wundbehandlung: Desinfektionsmittel,
Pflaster und Verbandszeug.
Denn viele der Kinder fallen in der Pause hin und
verletzen sich, doch keiner wäscht die Wunde oder schützt sie vor Dreck, sodass
sie sich leicht entzünden kann.
Schließlich wurde von den Geldern noch 2 Tafeln, genauer gesagt
Whiteboards, angeschafft, für die 2 kleinsten Klassenstufen. Diese sollen zwar
schon die Vokabeln und Zahlen erlernen, hatten bislang aber keine Tafel um dies
mit der Lehrerin gemeinsam zu üben! Jetzt kann man den Klassenraum auch endlich
als solchen bezeichnen, denn eine Klasse ohne Tafel ist nur halbwegs sinnvoll.
In Planung mit weiteren Spendengeldern stand außerdem ein neues
Klettergerüst sowie die Reparatur der Rutsche, deren Leitersprossen leider
gebrochen sind. Leider ist meine restliche Zeit in Nicaragua nicht mehr
ausreichend, um diese Planungen in die Tat umzusetzen, aber nachdem es bereits
finanziell und logistisch geplant ist, hoffe ich das mein Nachfolger Lennard mich
dabei unterstützt, dass in seinem Freiwilligenjahr weiter- und auszuführen, mit
den noch vorhandenen Spendengeldern.
So. Das war also die Bilanz der Veränderungen durch meinen Freiwilligendienst. Natürlich ist es am wichtigsten zu betonen, dass ich persönlich die meisten Fortschritte und Erfahrungen für mich gemacht habe und in meinen Projekten selbst nicht die Welt bewegen konnte. So ein Freiwilliges Soziales Jahr ist und bleibt hautpsächlich eine Bereicherung für einen Selbst, abgesehen von kleinen Veränderungen in den Projekten!
Bald könnt ihr auch meinen Abschlussbericht lesen, der
meinen Freiwilligendienst noch einmal reflektiert und ein Fazit zieht zu den 10
Monaten in Nicaragua!