Ich wage mich mal an einen Bericht, auch wenn ich noch nicht
allzulange da bin um alles zu verstehen!
Meine Arbeit
ist eine Mischung aus Vorschule und Kindergarten. Mit 102 Kindern aufgeteilt in
3 Nivels (Klassenstufen) wird mein Alltag versüßt:
Im ersten Nivel sind die 3jährigen, 27 Stück. Im zweiten die
4jährigen, 33 Stück und im dritten die 5-6jährigen mit 42. In letzterem bin ich
für die ersten 4 Monate eingeteilt, so wie es aussieht- ich bin aber in meinen Entscheidungen in allem sehr frei
und kann in alles mal reinschnuppern. Es
gibt 3 Lehrerinnen sowie 2 Köchinnen, 3 Klassenräume und einen Hof mit Schaukel
und Rutsche und leider nur ganz wenigen Spielsachen. Dafür sind die Räume sehr
liebevoll gestaltet, mit verschiedenen Ecken in den Plakate zu der Natur, den
Tieren, wichtigen Lebenswerten und bezüglich dem Wert der Familie hängen.
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Ecke der Natur- inklusive Bildern von vielen Tieren und deren Namen |
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Der Wert einer Familie und deren Aufgaben- Liebe, Zuwendung, Achtsamkeit.. |
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Lebenswerte wie Ehrlichkeit, Respekt, Solidarität.. |
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Und die Nicaraguanische Flagge darf natürlich auch nicht fehlen! |
Die ersten zwei Nivels
gleichen noch sehr einem Kindergarten, da die Klasse spielerisch an Zahlen und
Vokale herangeführt wird.
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Wandgemälde der Partnerstädte Masaya-Dietzenbach |
Die Vorschule wurde mit Spendengeldern meines Vereines
errichtet, der durch die Partnerstädte Dietzenbach und Masaya(meiner neuen
Heimatstadt) entstanden ist. Nach und nach ist so zb. eine Toilette für die
Kinder entstanden, damit diese nicht immer in den Spielhof machen! Dennoch habe
ich heute gesehen, wie ein Kind einfach in die Ecke eines Klassenzimmers
gepinkelt hat, anstatt auf die Toilette zu gehen.. ich war geschockt.
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Der Spielhof mit Rutsche und Schaukel |
Was wird
erzielt? Am Ende der Vorschule sollen alle Vokale sowie die Zahlen von 1-10
erlernt sein, eine Allgemeinkunde von Früchten und Gemüse vorhanden sein sowie
„valores para la vida“ also Werte für das Leben errungen sein. So viel zum
theoretischen Plan..
Meine
Aufgaben dabei sind momentan erst mal die Unterstützung der Lehrerin: ich
male/schreibe die Blätter für circa 30 Kinder(Kopierer gibt es nicht- alles von
Hand. Blatt für Blatt..). Außerdem gehe ich herum und kontrolliere, erkläre den
Kindern die Aufgaben, stehe für Fragen zur Verfügung oder beaufsichtige die
Horde auch mal alleine in der Klasse, während die Lehrerin für eine halbe
Stunde unterwegs ist. Für eigenen Unterricht reicht mein Spanisch leider noch
nicht aus, das ist aber auf jeden Fall mein Ziel für das Jahr!
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Kinder des 3. Nivels sowie die Lehrerin Rosa |
Es gibt ein
schönes Morgenritual für das dritte Nivel, es wird zusammen gesungen und
gebetet. Das vermittelt Gemeinschaft und bringt Ruhe in die aufgeweckten
Kinder.
Heute hatte
ich ein langes Gespräch mit der Lehrerin Rosa über die Zustände der Vorschule.
Von 42 Schülern und Schülerinnen sind heute in meinem Nivel zum Beispiel nur 16
erschienen. Noch nichtmal die Hälfte! Der Grund war, dass es geregnet hat. Aber
nicht so Monsunartig wie hier üblich, sondern recht wenig. Dennoch genug, dass
die Familien die Kinder nicht zur Schule bringen- daher konnten wir den Plan
für den Tag, den neuen Vokal „i“ vorzustellen, nicht in die Tat umsetzen und
verblieben ohne große Fortschritte.
Ein weiteres
großes Problem neben dem Erscheinen ist die Finanzierung der Bildung: Die
Schule ist zwar öffentlich und damit theoretisch kostenlos; aber ein Heft, die
Uniform und ein Bleistift will auch finanziert sein! Und da es täglich ein
warmes Mittagessen gibt, zahlen die Familien pro Kind 10Cordoba im Monat: Das
ist weniger als ein halber Dollar. Trotzdem für manche nicht finanzierbar! Deshalb
absolvieren manche Kinder nur das erste Nivel und hören dann mit der Schule komplett
auf, um im Haushalt zu helfen, oder sofern die Familie einen Straßenstand oder
einen Kiosk hat beim verkaufen. Bezüglich der Uniform: Wie man auch auf den
Bildern sehen kann, sie besteht aus einer weißen Bluse/Hemd und blauem
Rock/Hose. Täglich schrubben die Familien die Kleidung wieder sauber, da alles
voll Essensflecken oder Erde/Staub ist, damit die Kinder am nächsten Morgen
gestriegelt in der Schule erscheinen können.
Ein weiterer
Teufelskreislauf ist, dass die Kinder oft nicht zur Schule gehen wollen und
sich nur darauf einlassen, wenn ihre Eltern ihnen Geld (2 Cordoba täglich
meistens) für Süßigkeiten geben- ausgefuchste Erpressung. Denn direkt gegenüber
der Vorschule ist ein Kiosk- ein Paradies für Kinder. Also geben die Eltern von
dem wenigen Geld, dass sie haben etwas ab, damit ihre Kinder zur Schule gehen.
Die Lehrerinnen hatten schon oft mit dem Besitzer des Kiosks gesprochen, damit
dieser den Kindern nur Früchte verkauft, worauf er sich eigentlich auch
eingelassen hat. Aber schließlich muss auch er seinen Lebensunterhalt verdienen
und die Süßigkeiten zu verkaufen ist für ihn rentabler: daher also doch
ungesundes Essen täglich!
[Das erklärt
auch warum selbst schon manche Kinder von Karies zersetzte Zähne haben, die
eben keine Milchzähne mehr sind, sondern bleibende! Allgemein haben viele
Menschen hier fehlende Zähne(und dann Lücken und keinen Zahnersatz) oder halb
schwarze Zähne..]
Schockiert
hat mich auch ein Fall von 2 Schwestern: Beide sind taubstumm, sie sind 2 und 7
Jahre alt. Trotzdem gehen sie zu unserer Vorschule, da ihre Eltern das Geld für
die teure Spezialschule für Taubstumme nicht hat.. sie können am Unterricht
nicht aktiv teilnehmen, aber es ist besser als gar keine Schule zu besuchen: so
können sie wenigstens die Vokale von ihrem Tischnachbarn abmalen und lernen so
hoffentlich wenigstens die Schrift!
Die
Einstellung vieler Familien allgemein im Hinblick auf Schule ist einfach unterschiedlich
zu unserer deutschen. Die Kinder kommen mit zerfledderten Heften (wenn
überhaupt- viele kommen ohne) und ohne Essen, Obst und Trinken. Mit diesen
Voraussetzungen lässt es sich dann auch nicht so gut arbeiten. Die Lehrerin
beklagt weiterhin, dass die Vorschule die einzige Erziehung für die Kinder ist:
selbst kleinste, scheinbar natürliche Dinge müssen täglich erklärt werden: Müll
in den Mülleimer und nicht auf den Boden zum Beispiel. Zuhause wird einfach
weggesehen.
Die
Vorschule liegt im ärmsten Teil der Stadt, im Stadtteil Monimbo. Damit ihr euch
ein bisschen viele der Häuser hier vorstellen könnt, hier ein kleines Bild..
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Auf der rechten Seite erkennt man ein grünes Haus- das ist die Vorschule |
und zum Thema Müll in den Mülleimer: Hier der „Bach“ der hinter der Vorschule
fließt inklusive vermülltem Flussbett. Mir ist auch aufgefallen, dass besonders
in Monimbo viele Straßenhunde sind, die mit Schorfwunden übersät sind. Das
liegt, wurde Laura erklärt, daran, dass sie sich nur von kontaminiertem Wasser
ernähren. Ein trauriges Bild.. Diese laufen teilweise auch einfach in der
Vorschule durch die Klassenzimmer und suchen nach Futter (sie sind aber zum
Glück sehr scheu und gehen nicht direkt zu Menschen. Mein Glück, denn ich habe
mich vergessen gegen Tollwut zu impfen ;) ).
Lasst es euch gut gehen und esst fleißig Schokolade für mich mit, die vermiss ich nämlich sehr.. ;)