Dienstag, 12. März 2013

Novedades de mis projectos- Neuigkeiten meiner Projekte



Nach all den Urlaubsberichten auch mal wieder was handfestes zu meinen Arbeitsstellen:


Schulbeginn in der Preescolar

Die erste Arbeitswoche bestand aus administrativen Arbeiten, der Einschreibung der Schüler für das neue Schuljahr 2013-2014. 
Dies bedeutete, dass den 3 Nivels Kinder gemäß ihrem Alter oder ihrer Entwicklungsstufe zugeteilt wurden. Diese Papierarbeit wurde ausschließlich per Hand vorgenommen, da kein Computer zur Verfügung steht. Normalerweise benötigt man dafür die Geburtsurkunde des Schülers, die Ausweisnummern der Eltern, Adresse sowie Telefonnummern und den Impfausweis. Jedoch besitzen viele Kinder noch keine Geburtsurkunde oder deren Eltern keinen Ausweis- dennoch konnten die Kinder eingeschrieben werden. Ob der Name dann richtig geschrieben wurde, weiß halt keiner (Gerade weil mir die Namen diktiert wurden und ich bei besonders ausgefallenen Namen oft ratlos bezüglich der Schreibweise war, die Lehrerinnen neben mir genauso und die eigenen Eltern waren teilweise Analphabeten, konnten mir also auch nicht weiterhelfen.) 
Oftmals kamen auch nicht die eigenen Eltern zu der Einschreibung, sondern die Tante oder Nachbarin, die dann meist noch weniger Informationen besaß, teilweise nur den Vornamen und einen der Nachnamen kannte! 

Wenn man mal überlegt, wie folgenträchtig das Fehlen der Geburtsurkunde ist, stellt man fest- Wer keine Geburtsurkunde hat, ist vor dem Gesetz gar nicht existent! Diese Gewissheit fand ich erschreckend und kann seit dem auch wesentlich besser nachvollziehen, wieso viele Statistiken über Nicaragua als unvollkommen gelten, da gar nicht die gesamte Bevölkerung registriert ist und so jegliche Schätzungen zwecklos sind!

Am Ende dieser Woche verblieben wir mit 35 Kindern im ersten Nivel, 51 im zweiten und 42 im dritten. Gemessen an der Anzahl der Stühle, die die Vorschule besitzt, sind das schlichtweg zu viele Kinder! Diese Menge leise zu halten, für Konzentration und Aufmerksamkeit zu sorgen, wird ein großer Kraftakt für all die Lehrerinnen.


Hier die Lehrerin Lucia zu sehen, bei der fleißigen Bastelarbeit von neuen Mobiles!

Damit im neuen Schuljahr die Schule wieder von neuem Glanz erstrahlt, wurden die Klassenräume geputzt und neu dekoriert, wir bastelten Wandbilder und bunte Figuren, die Zahlen und Vokale wurden aufgehängt, Obst und Gemüse in allen Farben ausgeschnitten und als Mobile im Raum verteilt. Dabei entdeckten wir auch einige Kakerlaken, und über die Ferien nisteten sich in der Küche auch Ratten ein. Gegen diese mussten wir schnell mit Gift vorgehen, damit die Hygiene des Kochens gewährleistet wird!
Und schließlich stand er vor der Tür, der erste Schultag für die 121 Schüler! Gefeiert wurde mit einer Piñata für die Kinder, einer großen bunten Figur aus Pappmaché, die an die Decke mit einer Schnur gehängt wird, und auf die die Kinder mit einem Holzstock einschlagen, bis all die Süßigkeiten, die in ihrem Körper sind,  auf den Boden purzeln. Darauf stürzen sich dann alle Kinder und jeder versucht, so viele Süßigkeiten wie möglich abzustauben. Das kann man sich in etwa wie einen Faschingsumzug in Deutschland vorstellen, wenn von den Wagen Süßes geworfen wird.       

Ein Schüler beim zerschlagen der Piñata(oben) und die Lehrerin Leo beim verteilen der Süßigkeiten(unten)          
                  
         
Dazu wurden dann Schokomilch aus der Plastiktüte und Picos(süßes Zuckergebäck) an alle Kinder verteilt, und im Hintergrund lief traditionsgemäß Marimbamusik! Jedoch hielt ich diesen Start in das Schuljahr für nicht ausschließlich gelungen, da die Kinder direkt mit Süßigkeiten begrüßt wurden, anstatt an gesundes, vitaminreiches Essen herangeführt zu werden. Die Köchinnen beginnen nämlich erst die zweite Schulwoche mit dem täglichen Reis und Bohnen oder Suppen, da die Regierung die Grundnahrungsmittel (Reis, Bohnen, Mais…) noch nicht geliefert hat.

Es war ein sehr schöner erster Schultag und auch sehr tränenreich für manche Schüler, die einfach nicht von ihren Eltern loslassen wollten und sich noch nicht so recht damit anfreunden konnten, nun täglich in diese Vorschule zu gehen. Leider waren manche Kinder auch für falsche Nivels eingeschrieben und mussten erstmal Klassenräume wechseln, denn dies ist eine Folge der Papierarbeit per Hand- wenn kein PC-Programm das Alter jedes Kindes überprüft und automatisch einkategorisiert entstehen schnell mal Fehler. Aber am Ende des Tages saßen alle Kinder in dem richtigen Raum und viele strahlende Gesichter verabschiedeten sich von uns!

Auch dieses Jahr haben wir ein behindertes Kind in unserer Vorschule, ein 7jähriges Mädchen mit Downsyndrom. Eigentlich müsste sie auf eine Sonderschule gehen, die sich speziell dem Kind widmen kann, aber ihre Eltern möchten sie dort nicht hinschicken, und meine Vorschule hat das Kind kurzerhand angenommen. Leider ist sie sehr unkonzentriert, folgt keinen Anweisungen und schlägt so zum Beispiel andere Kinder und scheint nicht aufnahmefähig für Lerninhalte zu sein. Eigentlich ist sie auch schon zu alt für die Vorschule und müsste schon längst in der ersten oder zweiten Klasse sein, wurde aber von ihren Eltern zu spät eingeschult!
 Dennoch gibt es auch eine gute Neuigkeit, Thelma, die ältere der taubstummen Schwestern, geht dieses Jahr auf eine Sonderschule in die erste Klasse. Sie wurde nach langen Unterhaltungen von mir mit der Familie schließlich dafür eingeschrieben und wird täglich mit einem Schulbus abgeholt und auch wieder zurückgebracht. So kann sie nun adäquaten Unterricht erhalten und wird weiter gebildet, anstatt mit 7 Jahren immer noch in die Vorschule zu gehen!

Ziele für dieses Schuljahr

In einer Infoveranstaltung für alle Eltern bezüglich des neuen Schuljahres gaben wir einige Neuerungen bekannt und legten Ziele für das Schuljahr fest. Um das unorganisierte und unpünktliche Eintreffen vieler Kinder zum Unterrichtsbeginn zu vermeiden, werden wir dieses Schuljahr nur bis 8.20 die Türen geöffnet halten, da Unterrichtsbeginn bereits um 8.00 ist. Die Kinder, die nach dieser Uhrzeit eintreffen, werden nicht mehr hereingelassen. Dies soll mehr Ruhe in die Klasse bringen, da nicht ständig neue Kinder eintreffen und somit für ein besseres, konzentrierteres Lernverhalten sorgen. Weiterhin können die Köchinnen so für eine genaue Anzahl kochen, da wir um 8.20 die Klassengröße jedes Nivels weitergeben und für exakt diese Kindergruppe gekocht wird. Denn im letzten Schuljahr wurde oft für viel zu viele gekocht, da man nie wusste, ob nicht in einer Stunde noch weitere Kinder eintrudeln und so verlor die Vorschule oft Essen. 

Außerdem wird eine Gruppe von Eltern alle 15 Tage das Gelände der Vorschule säubern, Plastikmüll aufheben und für eine gesunde Umwelt sorgen. Dies ist eine Initiative der Eltern, die sich freiwillig bereit erklärten im Wechsel zu arbeiten und für ihre Kinder eine schönere Schulatmosphäre zu schaffen.

Die Eltern wurden auch erneut darauf hingewiesen, dass den Kindern bitte keine Süßigkeiten oder Chips mitgegeben werden sollen, stattdessen Früchte und Gemüse stets erbeten wird! Auch das tägliche Schultaschengeld soll massiv eingeschränkt werden, statt 10Pesos(knapp ein halber Dollar) sollen nur 2 Pesos höchstens vergeben werden, und dies unter der Bedingung, dass davon Gesundes gekauft wird. Auch mit der Kioskbesitzerin gegenüber der Vorschule wollen wir noch einmal sprechen, damit diese ihr Süßigkeitenangebot einschränkt und mehr Obst anbietet.

Alle Kinder haben zu Beginn des Jahres auch neue Materialien mitgebracht, Bunt- und Bleistifte, Knete, Klebstoff, Kuscheltiere und Spielsachen, Legosteine, Toilettenpapier, Schulhefte und Zeichenblöcke. Nun haben wir erst mal einen Überfluss an Materialien und können super mit den Kindern arbeiten, da alles wichtige vorhanden ist!



Die Mobile Schule

Neues Jahr- neues Glück. Gemäß diesem Vorsatz startete ich dieses Jahr in ein neues Projekt, der mobilen Schule. Diese arbeitet mit „Huelepegas“ zusammen, das sind klebstoffabhängige, obdachlose Männer zwischen 10 und 25 Jahren [Huele=er, sie, es riecht; pega= Klebstoff]. Meist sind sie von ihren Familien weggelaufen, zum Beispiel wegen häuslicher Gewalt. Oder auch weil die Mütter sich nicht ausreichend um sie kümmerten, da sie noch 5 andere Kinder haben und schlichtweg mit der Unterhaltung der Familie, sei es finanziell, nahrungstechnisch oder bezogen auf Liebe, überfordert sind. Der Klebstoff unterdrückt das Hungergefühl und verdrängt Probleme oder psychischen Druck und wird legal auf dem Markt verkauft. Wir arbeiten mit einem kleinen fahrbaren Wagen auf 4Rädern, in dem Tafeln mit der Uhrzeit, dem Alphabet, Grundrechenarten oder ähnlichem untergebracht sind. Damit laufen wir in Stadtteile Masayas, in denen die Männer sich tagsüber aufhalten.


 Ein 18jähriger Junge mit seiner mit Klebstoff gefüllten Flasche, die er immer im Kragen des T-Shirts trägt oder direkt am Mund, um tief einzuziehen und sich zu benebeln.


 Jeden Montag, Mittwoch und Freitag besuchen wir sie, unterhalten uns mit ihnen, erlernen Grundlagen der Allgemeinbildung oder sprechen über private Erlebnisse, Probleme oder Hoffnungen. Manchmal malen wir einfach Bilder, lernen den Namen zu schreiben oder spielen Karten oder Fußball. Viele von ihnen können auch mit 20 noch nicht ihren eigenen Namen schreiben, da sie nie zur Schule gegangen sind. 
Jeronimo beim Schreiben seines Names, dem Nachziehen der vorgeschriebenen Buchstaben. Selbst dies überfordert manche Männer, da ihre Sinne so von dem Klebstoff benebelt sind, dass räumliches Denken schwierig ist- oder auch einen geraden Satz herauszubringen.

Jeronimo beim Schreiben üben! Und auch wieder mit seiner Klebstoffflasche im Tshirt..

Wir versuchen ihnen somit eine Chance für die Zukunft zu geben, einen geregelteren Tagesablauf sowie Zugang zu sozialen Kontakten. Wichtig für das Verständis  der Mobilen Schule ist, dass es in erster Linie nicht um Wissensvermittlung geht, sondern viel mehr um eine Steigerung des Selbstwertgefühls  der Kinder, selbstständig ihre Lebenssituation anzupacken, einen Ausweg aus den Drogen zu suchen.
Sie haben nämlich oft nicht die Chance sich selbst auszuprobieren und gelobt zu werden. 
Beim Kartenspielen zusammen mit Ruth, der Verantwortlichen der Mobilen Schule. Die kleinen Jungs rechts im Bild sind 10 Jahre alt- und er im grünen Tshirt schnüffelt währenddessen an seinem Kleber..

Viele kommen aus  ärmsten Verhältnissen, sind drogenabhängig und leben auf der Straße.  Die Regierung kümmert sich wenig um die Süchtigen, da sie nicht als Teil der Gesellschaft angesehen werden- so registriert die Polizei nicht mal den Tod eines der Jungen und will diesen Fall nicht untersuchen. So fing die Woche nämlich leider mit einem traurigen Moment an, denn der 18jährige Alexander kam bei einem Ausflug der Jungs an die Laguna de Masaya beim Baden ums Leben. Er ist schon der 3.te Todesfall der Männer innerhalb von 2Jahren, 2 davon starben in der Laguna. Dass dieses Gewässer zudem kontaminiert ist, was natürlich schädlich für die Gesundheit ist, stört keinen, sie gehen dort trotzdem schwimmen. Auf die Beerdigung von Alexander wollte keiner seiner Freunde gehen, da sie meinten, sie seien zu dreckig und hätten keine sauberen Klamotten, um sich dort zu zeigen. Das ist traurig, denn ohne sanitäre Einrichtungen können sie sich nicht duschen und neue, saubere Kleidung können sie sich nicht leisten. 

Sie leben in einem Park in Masaya, in dem in einer Ecke eine große Matratze liegt und daneben steht ein kleiner Grill. Das ist all ihr Hab und Gut, darauf schlafen sie zu zehnt. 
Das "Bett" für 10 Männer.

Viele von ihnen sind Schuhputzer und daher komplett mit schwarzer Farbe an Händen, Armen und Klamotten voll, aber stolz, eine Arbeit zu haben und sich Geld zu verdienen anstatt betteln gehen zu müssen.
Herson mit seinem Schemel für die Schuhputzer, der mich bat sein Foto zu entwickeln, so stolz ist er darauf.



Obwohl diese Männer so zusammen halten und wie eine eigene Familie sind, gab es in letzter Zeit wohl auch sexuelle Übergriffe innerhalb der Gruppe, einige der älteren hätten sich nachts wohl an dem kleinsten, 12jährigen vergriffen. So werden wir nun mit einer Frauenrechtsorganisation zusammen arbeiten, die den Männern Informationsveranstaltungen über Sexualkrankheiten, den richtigen Gebrauch eines Kondoms und ähnlichem gibt, als Prävention für sexuelle Übergriffe.


Beim Verteilen der Altkleider, die meine Eltern bei ihrem Besuch mitbrachten.. Jeder bekam ein Tshirt und eine Basecap!


Stolz zeigt er, dass er ein neues Tshirt hat.


Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, mich mit den Männern zu unterhalten, sie zu unterstützen und zu motivieren, Neues zu erlernen (Anstatt nur zu malen sie zu fördern, um zu lernen ihren eigenen Namen zu schreiben). Dabei fällt mir schwer, einem Gleichaltrigen ins Gesicht zu sehen, der ohne Geld und Zukunftschancen lebt und auf der Straße sein Zuhause hat, während ich in einem anderen Land lebe, das Studium vor mir, quasi am „Anfang meines Lebens“- und seins scheint schon so verloren. Außerdem ist der körperliche Kontakt teilweise eine Gradwanderung, denn wir begrüßen uns mit Handschlag, manchmal umarmen wir uns auch. Diese körperliche Nähe ist vor allem für die Kleineren wichtig, sagt meine Chefin Ruth, da sie mit 10 Jahren schon der Liebe der Eltern entzogen sind und oftmals keine Bezugsperson haben. Dennoch- stellt euch vor, eine komplett verdreckte Person, mit schwarzen Zähnen, ohne große Hygiene zu umarmen. Ihr könnt euch vorstellen, dass dies oft schwer ist!

Der Englischkurs
Glücklicherweise ist mein Englischkurs nach den Winterferien wieder mit neuen Teilnehmern angelaufen, jetzt sind es ungefähr 10, die Dienstags und Donnerstags kommen. Es ist eigentlich ein Kurs für Fortgeschrittene- aber mittlerweile ist es eine Mischung aus allen Leistungsstufen, von Beginnern ohne jegliche Sprachkenntnisse bis hin zu Teilnehmern, die fast fließend sprechen. Das bedeutet natürlich immer etwas Improvisation bezüglich der Unterrichtsgestaltung: Einerseits einfache Aufgaben und viele spanische Erklärungen für die Anfänger, andererseits fordernde Konversationen auf Englisch für die Fortgeschritteneren. Das ist mit mir als einzige Lehrerin aber schwer umsetzbar.. Ich bin zufrieden, dass es einen solchen kostenlosen Kurs in Masaya gibt, der allen Bevölkerungsschichten die Türen öffnet um die Weltsprache zu erlernen und so bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen. Denn der Anteil der Nicaraguaner, die Englisch sprechen, ist wesentlich geringer als der Anteil der Deutschen!

Ich bin gespannt, was sich in meinen Arbeitsstellen noch verändert innerhalb der mir bleibenden 2 Monate! Besonders bezüglich der Mobilen Schule hätte ich gerne noch mehr Zeit in Nicaragua, da ich dieses Projekt für so sinn- und wertvoll erachte und gerne früher darauf gestoßen wäre um länger dort zu arbeiten.